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Bewerbungsinterviews erfolgreich führen: Guide für Hiring-Manager:innen

Bewerbungsinterviews Guide Hiring Manager

Bewerbungsinterviews stellen für viele Bewerber*innen eine Herausforderung dar. Candidates sind häufig nervös und haben oft eine konkrete Erwartungshaltung gegenüber dem Gespräch. Aber auch Hiring-Manager:innen fällt die Situation – vor allem wenn sie noch über wenig Erfahrung verfügen – oft nicht leicht.Denn Bewerbungsinterviews müssen eine Reihe an Aufgaben erfüllen:

  • Sie sollen den Hiring-Manager:innen einen umfassenden persönlichen Eindruck der Candidates geben
  • Die Fähigkeiten und Soft Skills der Bewerber:innen sollen überprüft werden
  • Den Interviewpartner:innen soll ein umfassender, positiver Eindruck des Unternehmens vermittelt werden
  • Alle relevanten Daten für den Vergleich mit anderen Candidates sollen gesammelt werden

Dafür bleibt in der Regel nicht viel Zeit. Gleichzeitig soll die Situation aber auch für die Interviewten genug Raum lassen, um ihre individuellen Potenziale zu entfalten. Jede:r kennt Geschichten von Bewerbungsgesprächen, die eher an Kreuzverhöre erinnern oder hat diese sogar selbst erlebt. Dabei ist es wichtig, dass sowohl das Unternehmen als auch das Bewerbungsinterview für die Candidates in positiver Erinnerung bleiben. Denn nur eine positive Candidate Experience führt dazu, dass sie sich im Fall einer Zusage für das Unternehmen entscheiden und dieses auch Freund:innen und Bekannten als potenziellen Arbeitgeber weiterempfehlen.

Wir schulen nun schon seit einigen Jahren regelmäßig Hiring-Manager:innen in Interview-Techniken. Dabei sind uns fünf Faktoren besonders wichtig, die für den Erfolg eines Bewerbungsgesprächs ausschlaggebend sein können:

1. Bewerbungsinterviewfragen nicht blind übernehmen

Ehemalige Netflix-Personalleiterin verrät: Die eine Frage, die darüber entscheidet, ob du eingestellt wirst oder nicht“ – wem begegnen solche und ähnliche Artikel nicht fast täglich auf LinkedIn & Co? Gerade für Hiring-Manager:innen, die noch über wenig Erfahrung verfügen, können sie sehr verlockend sein. Denn wer sollte bessere Interview-Fragen stellen als die Branchen-Primusse, die keine Probleme haben, die Top Talents für sich zu gewinnen. Schön und gut. Doch so nachvollziehbar dieser Gedanke ist, so holprig ist oftmals dessen Umsetzung.

Kein Unternehmen gleicht dem anderen, jede zu besetzende Stelle geht mit spezifischen Anforderungen einher. Wer die Netflix-Frage stellt oder sich von Peter Thiel und Co. inspirieren lässt, mag zwar mitunter spannende Antworten bekommen. Ob diese aber aussagekräftig für die ausgeschriebene Rolle sind, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Vielmehr sollten im Vorfeld mit allen Stakeholder:innen gemeinsam Fragen und Themengebiete identifiziert werden, die für die zu besetzende Position relevant und aussagekräftig sind.

2. Einem strukturierten Ablauf folgen

Werden keine konkreten Fragen oder Themengebiete vorbereitet, verlieren Bewerbungsinterviews an Struktur. Hiring-Manager:innen geraten dann in die Verlegenheit, zu improvisieren, was schnell dazu führen kann, dass das Gespräch ausufert und keinem roten Faden mehr folgt. Das macht es zum einen schwer, die Fähigkeiten von Bewerber:innen zu beurteilen und unterschiedliche Candidates miteinander zu vergleichen. Zum anderen birgt es die Gefahr, dass sich Vorurteile und Bias in den Hiring-Prozess einschleichen.

Klar strukturierte Interviews sind auch hinsichtlich der verschiedenen Fähigkeiten und Skillsets, die überprüft werden sollen, effizienter und fairer. Sie ermöglichen eine Vergleichbarkeit der Candidates und stellen sicher, dass alle relevanten Aspekte und Anforderungen adressiert werden. Neben den Fragen als solchen gilt es auch den Ablauf des Bewerbungsinterviews zu strukturieren. Die Gesprächsdramaturgie hat einen starken Einfluss auf die Antworten und das Wohlbefinden der Bewerber:innen. Dementsprechend sollte ihr gesonderte Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Wer dennoch auf einen strukturierten Fragebogen verzichtet, sollte zumindest im Vorfeld Themenfelder identifizieren, die innerhalb des Bewerbungsinterviews adressiert werden und deren Reihenfolge festlegen. Unstrukturierte, fahrige Gespräche ohne erkennbare Struktur können außerdem einen negativen Eindruck bei Bewerber:innen hinterlassen. Wenn schon das Interview unprofessionell wirkt, warum sollte es im Unternehmen selbst strukturierter zugehen?

3. Wissen, welche Fragen zulässig sind

Kinderwunsch, religiöse Überzeugung, Tätigkeit der:des Partner:in – dies sind zwar alles Themen, die unter Freund:innen und manchmal auch im Kolleg:innenkreis besprochen werden, in Bewerbungsinterviews haben sie aber nichts zu suchen. Nicht nur sind sie gesetzlich untersagt, sie können auch Candidates in Erklärungsnot bringen und zu diskriminierenden Situationen führen. Dennoch gibt es nach wie vor Hiring-Manager:innen, die beispielsweise Bewerberinnen explizit nach geplanten Schwangerschaften fragen. Häufig wird das mit einer gewünschten Planungssicherheit im Unternehmen begründet. Die Bewerberin bringt es allerdings in einen Konflikt: Beantwortet sie die frage nicht, muss sie muss sie möglicherweise mit einer Benachteiligung im Bewerbungsprozess rechnen. Beantwortet sie die Frage, kann dasselbe geschehen. Daher haben Bewerber:innen bei der Beantwortung nicht zulässiger Fragen das Recht zur Lüge.

Soweit sollte es im Bewerbungsinterviews aber gar nicht erst kommen müssen. Wenn Hiring-Manager:innen sich über die rechtlichen Eckpunkte des Gesprächs bewusst sind, verzichten sie auf unerlaubte Fragen. Dies ist mitunter jedoch gar nicht so leicht. Gerade, wenn es in der Situation zu einem konstruktiven Gespräch kommt – eigentlich der Idealfall – kann es passieren, dass man trotzdem Themen anschneidet, die ein rechtliches No-Go darstellen. Umso wichtiger ist es daher, die Interview-Situation vorzubereiten und sich einen klaren Ablauf zu überlegen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, keine Fragen zu stellen, die man selbst nicht beantworten wollen würde bzw. könnte.

Im Gespräch selbst müssen die Bewerber:innen ausreichend zu Wort kommen können. Schließlich bringen auch sie ihre eigenen Vorstellungen und gewissen Anforderungen an einen potenziellen Arbeitgeber mit. Hiring-Manager:innen dürfen nicht den Fehler machen, ihre eigenen Position überzubetonen; es gilt, sich an den richtigen Stellen zurückzunehmen und Raum zu lassen.

4. Bewerber:innen nicht zu stark unter Druck setzen

Bewerbungsinterviews sind immer künstliche Situationen, die mit Stress und Druck einhergehen können. Klassische Hierarchien, innerhalb deren den Candidates die Rolle der Bittstellenden zukommt, die den Fragen der Hiring-Manager:innen scheinbar hilflos ausgeliefert sind, haben ausgedient. Das fängt schon bei der Einladung an: Wer zum „Vorstellungs-“ oder „Bewerbungsgespräch“ einlädt, kommuniziert eine klare Rollenverteilung. Und verschiebt damit auch den Fokus des Gesprächs. Denn eigentlich sollten beide Seiten im Rahmen des Interviews herausfinden können, ob sie zueinander passen. Es ist also sinnvoller, ein Kennenlernen anzukündigen als eine klassische Interview- oder Vorstellungssituation, die mit impliziten Bewertungskriterien einhergeht.

Dazu gehört auch, dass man Bewerber:innen nicht zu lange warten lässt. Einer Studie des Recruiting-Tool-Anbieters Softgarden zufolge, halten 56,8 % der befragten Candidates einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen zwischen dem Eingang der schriftlichen Bewerbung und der Einladung zum Bewerbungsinterview für angemessen. Wer potentielle Mitarbeiter:innen zu lange warten lässt, läuft Gefahr, sie an die Konkurrenz zu verlieren. Eine lange Wartezeit beeinflusst zudem auch die Erwartungshaltung, mit der Candidates in das Gespräch gehen. Wer einen Monat und mehr hingehalten wird, der:die fühlt sich womöglich nicht sonderlich wertgeschätzt.

Das Bewerbungsinterview ist durchaus als beidseitiger Sales-Prozess anzusehen. Candidates stark unter Druck zu setzen, ist am Ende nicht vielmehr als eine inhaltslose Machtdemonstration. In den meisten Fällen haben Bewerber:innen mehrere Eisen im Feuer; das Unternehmen ist also nur eine Option unter vielen. Dementsprechend sollte es im Bewerbungsinterview auch darum gehen, was ein:e Bewerber:in vom Unternehmen erwartet, welche Faktoren für ihn:sie entscheidend sind.

Dies wird auch von der Softgarden-Studie bestätigt: Als noch wichtiger als den Informationswert des Bewerbungsinterviews, stuften die Befragten eine angenehme Gesprächsatmosphäre sowie die Freundlichkeit der Interviewer:innen ein (79,4 %). Hinter der Idee, Bewerber:innen unter Druck zu setzen, steht der veraltete Gedanke, dass man so deren Stressresistenz überprüfen könne. Dabei wird jedoch außen vorgelassen, dass die Interview-Situation eine künstliche ist, die sehr wenig mit der alltäglichen Realität im Unternehmen zu tun hat.

5. Diversity und Gleichberechtigung adressieren

Hinsichtlich Diversity und Gleichberechtigung hat sich in den letzten Jahren gesellschaftlich viel getan. Diese Entwicklungen sind nicht nur erfreulich, sie wirken sich auch positiv auf Unternehmen aus. Eine Studie des Recruiting-App-Anbieters truffls hat jüngst herausgefunden, dass heterogene Teams effektiver zusammenarbeiten. Eine offene, wertschätzende und inklusive Grundhaltung fördert nicht nur die Unternehmenskultur, sie zieht auch Talents an. So ergab die truffls-Studie, dass für 60% der befragten Generation-X und -Y-Mitglieder Diversity einen der wichtigsten Faktoren bei der Arbeitgeberwahl darstellt (Stand: 2020). Ferner thematisieren mehr als 40% der befragten 18-29-jährigen innerhalb des Bewerbungsinterviews aktiv die Haltung des potenziellen Arbeitgebers zu Gleichberechtigung und Diversity.

Doch wie lässt sich diese innerhalb der Gesprächssituation kommunizieren? Es fängt schon bei der Adressierung des Gegenübers an: Gender-Identität und -Pronomen sollten nicht einfach angenommen werden. Selbst LinkedIn ermöglicht es inzwischen seinen Nutzer:innen, ihre präferierten Personalpronomen anzugeben. Diesem Beispiel können es Hiring-Manager:innen gleichtun, indem sie beispielsweise in die Bewerbungsintervieweinladungen die Möglichkeit, selbst die passenden Begriffe zu wählen, integrieren. Dazu gehört auch, geschlechtsneutrale Begriffe zu verwenden oder zu Gendern.

Zwar mag es dazu gesellschaftlich noch hitzige Debatten geben. Umfragen zeigen aber, dass gerade junge Menschen stärkeren Wert auf inklusive Sprache legen.

Fazit: Bewerbungsinterviews als Lernprozess sehen

Bewerbungsinterviews können gerade für unerfahrene Hiring-Manager:innen herausfordernd sein. Wer aber auf Augenhöhe, respektvollen Umgang, eine gewisse Vorbereitung und Inklusivität achtet, kann sie auch als Lernprozesse nutzen.  Denn jedes Gespräch ist individuell und eröffnet neue Betrachtungsweisen und Aspekte, die für alle kommenden Recruiting-Prozesse bereichernd sein können. Zur Vorbereitung lassen sich auch Recruiter:innen und Talent-Acquisition-Spezialist:innen hinzuziehen. Diese sind in der Regel sehr erfahrene Interviewer:innen und können den Prozess mit Fachwissen und individuellen Beratungen begleiten und unterstützen.

Mehr zum Thema Interview-Vorbereitung für Hyper-Manager:innen:

Alexander Dötsch erzählt im Daily Madness HR Podcast, welche Erfahrungen er im Recruiting und bei der Schulung von Hiring-Manager:innen bei der DKB Code Factory GmbH.

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