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Wachstumsschmerzen: HR im Hypergrowth

Hypergrowth HR Strategien

Es ist knapp zwei Wochen her, dass der Berliner Supermarkt-Lieferdienst Gorillas im Rahmen einer Finanzierungsrunde rund 250 Millionen Euro einsammeln konnte. Dabei ist das Start-up erst vor etwa neun Monaten an den Start gegangen. Zwar mag es nicht überraschen, dass ein Lebensmittel-Lieferservice in Zeiten einer Pandemie besondere Aufmerksamkeit von Investor*innen bekommt. Schnelles Wachstum in Verbindung mit hohen Investments ist aber keine Seltenheit in der Start-up-Welt. Im Gegenteil, Skalierbarkeit ist eines der wichtigsten Merkmale der jungen Unternehmen.

Die Gefahr von dauerhaften Provisorien

Doch bei schnellem Wachstum im zweistelligen Prozentbereich und dem Erschließen weiterer Märkte, kommen häufig interne Organisationsstrukturen an ihre Grenzen. Sie müssen notgedrungen mitwachsen und wirken dabei oft wie dauerhafte Provisorien. Das trifft besonders stark auf HR zu. Gerade zu Beginn gibt es oftmals noch keine HR-Abteilung. Recruiting und Einarbeitung werden nebenbei „mitgemacht“, es kommt erstmal darauf an, neue „Mitstreiter*innen“ zu gewinnen.

Doch ab einem gewissen Wachstumstempo und einer stetig steigenden Größe, ist dies nicht mehr möglich. Dann können fehlende HR-Strukturen dazu führen, dass Teams nicht richtig gebildet werden oder nur ad-hoc rekrutiert wird, ohne dabei ein längerfristiges Ziel zu verfolgen. Deshalb gilt es gerade in starken Wachstumsphasen – auch Hypergrowth genannt – die Bedeutung von HR nicht aus den Augen zu verlieren.

Basierend auf unseren Erfahrungen in der HR-Beratung von Start-ups in Hypergrowth-Phasen, haben wir drei Faktoren identifiziert, die Start-ups und wachstumsstarke Unternehmen berücksichtigen sollten.

1. Mehr Mitarbeiter*innen ≠ höhere Produktivität

Ein gängiger – wenn auch verständlicher – Trugschluss lautet: Mehr Mitarbeiter*innen führen automatisch zu höherer Produktivität. Das mag anfangs noch funktionieren, wenn das starke Wachstum einsetzt, kommt diese Weisheit allerdings schnell an ihre Grenzen. Denn neue Mitarbeiter*innen müssen Onboarding-Prozesse durchlaufen, Teams müssen gebildet, Aufgaben verteilt, Organisationsdesigns angepasst und individuelle Zielvereinbarungen getroffen werden. Dies sind allesamt zeitaufwendige Prozesse, die notwendig sind, aber auch dazu führen, dass es nicht sofort zu Produktivitätssteigerungen kommen kann.

Hinzu kommt, dass diese Fehlannahme häufig dazu verleitet, mehr Mitarbeiter*innen einzustellen als eigentlich notwendig. Dem gestiegenen Arbeitsaufwand lässt sich nicht einfach mit einem proportionalen Anstieg an Angestellten begegnen. Vielmehr muss analysiert werden, in welchen Bereichen konkret mehr Ressourcen benötigt werden und wie sich die dort angesiedelten Prozesse umgestalten lassen. Sonst läuft man Gefahr, kopf- und planlos große Teams aufzubauen, die nur bedingt effizient sind.

2. Organisation und Kommunikation in den Mittelpunkt rücken

Es mag wenig überraschen, dass HR-Abteilungen und -Manager ihr Hauptaugenmerk auf Organisation und Kommunikation legen sollten. In Hypergrowth-Phasen kann dies allerdings gar nicht oft genug betont werden. Denn starkes Wachstum bringt bestehende Strukturen immer wieder an ihre Grenzen. Dies betrifft sowohl Hierarchien als auch Team-Zuständigkeiten und Standorte. Viele Start-ups und kleinere Unternehmen haben keine feste Organisationskultur, geschweige denn ein flexibles Organisationsdesign. Warum auch? In der Regel kennen sich alle Stakeholder gut, man sitzt in einem Büro und viele Dinge lassen sich unkompliziert über den Schreibtisch hinweg klären.

Kommt der Wachstumsschub, lässt sich diese Praxis nicht aufrechterhalten. Daher müssen aus Provisorien klar definierte Strukturen werden, die darüber hinaus offen und flexibel genug sind, um weiteres Wachstum miteinzuplanen. Dies gilt auch für die Kommunikation. Ab einer gewissen Mitarbeiter*innenanzahl und gegebenenfalls verschiedenen Standorten, muss der „Zwischen-Tür-und-Angel“-Kommunikation Lebewohl gesagt werden. Einheitliche Kommunikationsstrukturen und -Tools müssen an ihre Stelle treten und allen Unternehmensangehörigen Transparenz ermöglichen.

Denn schwache und schwächelnde Organisationsstrukturen sowie unklare Kommunikationswege und fehlende Transparenz wirken sich negativ auf die Mitarbeiterbindung (Employee Retention) aus. Zur Transparenz gehört auch, das Wachstumsziel und die Hypergrowth-Phase sowie die damit einhergehenden Herausforderungen für alle Beteiligten klar zu benennen. Dies ermöglicht es Angestellten, sich mit der Situation auseinanderzusetzen und ihren eigenen Umgang damit zu finden. Werden Ziele und Herausforderungen klar kommuniziert, kann sich jede*r Einzelne darauf vorbereiten.

3. Die Unternehmenskultur nicht aus den Augen verlieren

Schnelles, starkes Wachstum führt zu Stress und Reibung. Egal, wie gut man versucht, dem zu begegnen, Unsicherheiten und Überforderungen sind Teil des Prozesses. Dessen sollten sich HR-Abteilungen im Klaren sein und es auch an die Mitarbeiter*innen kommunizieren. Denn gerade in Hypergrowth-Phasen sind eine verständnisvolle, motivierende Unternehmenskultur und ein offenes Ohr für die Bedürfnisse und Sorgen des Teams von größter Bedeutung. Das kann sich in unterschiedlichen Maßnahmen niederschlagen. Von der Verpflegung bis hin zu Freizeitleistungen.

Gerade in Start-ups ist die Frage nach der Unternehmenskultur eine besonders wichtige. Sind junge Unternehmen zu Beginn häufig noch von einer Friendship Culture – man kennt sich, verfolgt dasselbe Ziel, die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen – geprägt, kommen sie im Rahmen starken Wachstums oftmals an deren Grenzen. Denn die Anforderungen an Personen und (Führungs-)Positionen ändern sich. Wer von Anfang an dabei war, ist dennoch nicht unbedingt die richtige Person für eine herausgehobene Führungsrolle. Ferner kann die Friendship Culture dazu führen, dass wichtige Entscheidungen aufgeschoben werden, in der Befürchtung Team-Mitglieder vor den Kopf zu stoßen.

Diese Problematik lässt sich wohl am besten als „Wachstumsschmerzen“ zusammenfassen. Eine transparente Unternehmenskultur kann sie abfedern. Gerade auch dadurch, dass sie diese thematisiert und darauf eingeht, dass starkes Wachstum notwendigerweise auch mit Veränderungen einhergeht.

Fazit: Hypergrowth ist ein Ausnahmezustand

Selbstverständlich unterscheiden sich die Herausforderungen, denen sich HR in Hypergrowth-Phasen stellen muss, von Unternehmen zu Unternehmen und von Branche zu Branche mitunter stark. Dennoch begegnen die drei hier genannten Faktoren uns in unterschiedlichen Ausprägungen immer wieder. Klar sollte auf jeden Fall allen Beteiligten sein: Starkes Wachstum ist kein Dauerzustand. Diese Phasen sind in der Regel zeitlich begrenzt und fordern allen Beteiligten das Äußerste ab. Sich dessen bewusst zu sein, es offen zu kommunizieren und auch in der Organisation zu berücksichtigen, hilft maßgeblich, nicht nur unternehmerisch, sondern auch menschlich zu wachsen.

Mehr zum Thema Hypergrowth:

Rani Verschoor erzählt im Daily Madness HR Podcast, welche Erfahrungen sie selbst mit Hypergrowth-Phasen bei Zalando und N26 gemacht hat.

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