Am 02. Juli dieses Jahres trat in Deutschland das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft. Dieses Gesetz markiert einen bedeutenden Schritt zur Stärkung des Schutzes von Whistleblower:innn und zur Bekämpfung von Korruption, Betrug und anderen Missständen in Unternehmen und öffentlichen Institutionen. Das Hinweisgeberschutzgesetz bietet Informant:innen einen rechtlichen Rahmen, um Verstöße gegen Gesetze und Regulierungen offenlegen zu können, ohne Repressalien befürchten zu müssen.
Warum braucht es das Hinweisgeberschutzgesetz?
Whistleblower:innen spielen eine entscheidende Rolle bei der Aufdeckung von Missständen und illegalen oder unethischen Praktiken in Unternehmen und staatlichen Institutionen. Ihre Informationen tragen dazu bei, Verstöße gegen Gesetze aufzudecken und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Allerdings waren sie in der Vergangenheit häufig mit erheblichen Risiken konfrontiert. Hierzu zählen etwa berufliche Diskriminierung, Kündigung oder juristische Konsequenzen.
Das Hinweisgeberschutzgesetz zielt darauf ab, diesen Schutzlücken entgegenzuwirken und Hinweisgeber:innen zu unterstützen, damit sie Verstöße sicher melden können. Ein Hinweisgebersystem kann für Unternehmen sehr nützlich sein, können damit doch gesetzeswidrige Vorgänge wie Betrug und Korruption schneller identifiziert werden.
Welche Ziele hat das Hinweisgeberschutzgesetz?
Das Hinweisgeberschutzgesetz hat mehrere wichtige Ziele: Whistleblower:innen soll eine rechtliche Grundlage geboten werden, um Verstöße gegen Gesetze und Regulierungen zu melden, ohne dabei berufliche oder rechtliche Nachteile befürchten zu müssen. Es soll ihnen Vertrauen geben, dass ihre Informationen ernst genommen und angemessen untersucht werden.
Das Gesetz soll Unternehmen und Organisationen dazu verpflichten, interne Meldekanäle einzurichten und sicherzustellen, dass Hinweisgeber:innen geschützt werden. Dadurch sollen Verstöße frühzeitig erkannt und behoben werden, bevor größerer Schaden entsteht. Das Hinweisgeberschutzgesetz fördert eine Kultur der Offenheit und Transparenz, in der Whistleblower als wichtige Informationsquellen betrachtet werden.
Daraus leiten sich konkrete Schutzbestimmungen in Form von Repressalienverboten ab. Verboten sind Benachteiligungen des:der Hinweisgeber:in aufgrund der Meldung bspw.:
- arbeitsrechtliche Konsequenzen wie bspw. Kündigung, Abmahnung, Versetzung, negative Leistungsbeurteilung
- Androhung und / oder Versuch von Benachteiligungen
- strafrechtliche Sanktionen, solange die Hinweisgeber:innen in gutem Glauben handeln und überzeugende Beweise für ihre Vorwürfe vorlegen können
- Geschützt sind auch Personen, die den:die Hinweisgeber:in unterstützen oder mit ihm / ihr in Verbindung stehen
Betroffene Rechtsverstöße
Das Hinweisgeberschutzgesetz betrifft eine umfangreiche Reihe an Rechtsverstößen. Ein kleiner Überblick über deren Rahmen:
- Bundes-/Landes-/EU-Recht zu 25 definierten Regelungsbereichen, z. B. Geldwäsche, Produkt- und Verkehrssicherheit, Umwelt-/Verbraucher-/Datenschutz
- Strafvorschriften
- Bußgeldvorschriften nur, soweit diese Leib, Leben, Gesundheit oder die Rechte der Beschäftigten schützen.
Das bedeutet konkret: Insbesondere Meldungen zu Arbeitsschutzvorschriften fallen in den Schutzbereich, z. B. bußgeldbewehrte Verstöße gegen das
- Arbeitsschutzgesetz
- Mindestlohngesetz
- Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
- Betriebsverfassungsgesetz
Interne Meldekanäle einrichten
Darüber hinaus müssen Unternehmen und Behörden interne Meldekanäle einrichten, über die Whistleblower:innen Verstöße melden können. Diese Kanäle sollen sicher, vertraulich und zugänglich sein, um eine effektive Berichterstattung zu gewährleisten. Meldungen müssen in mündlicher (Telefon, Sprachübermittlung) oder in schriftlicher Form gemacht werden können. Auch ein persönliches Treffen muss auf Verlangen der Hinweisgeber:in ermöglicht werden. Zudem müssen die Meldungen in der Arbeitssprache des Unternehmens möglich sein.
Die Auslagerung des internen Meldekanals an eine externe Stelle ist grundsätzlich möglich. Arbeitgeber müssen klare und leicht zugängliche Informationen über (interne & externe) Meldestellen, z. B. durch Intranet, Aushänge, Website oder Flyer bereithalten. Nach der Meldung durch den:die Hinweisgeber:in muss eine fristgemäße Eingangsbestätigung innerhalb von sieben Tagen nach Eingang an diese:n erfolgen. Eine Rückmeldung zu möglichen Folgemaßnahmen hat innerhalb von drei Monaten nach Eingang zu geschehen.
Das komplette Verfahren muss dokumentiert und aufbewahrt werden.
Identität der Hinweisgeber:innen schützen
Eine weitere wichtige Bestimmung des Hinweisgeberschutzgesetzes betrifft den Schutz der Identität des Whistleblowers. Es wird sichergestellt, dass die Identität des Hinweisgebers vertraulich behandelt wird, es sei denn, dies ist ausdrücklich von dem:der Informantin gewünscht oder gesetzlich erforderlich. Dadurch wird gewährleistet, dass Hinweisgeber:innen keine persönlichen oder beruflichen Nachteile aufgrund ihrer Offenlegung erleiden.
Konkret bedeutet dieses Vertraulichkeitsgebot Folgendes:
- Schutz vor dem Zugriff unberechtigter Personen
- als Berechtigte zählen nur Personen, die für die Entgegennahme von Meldungen oder für Folgemaßnahmen zuständig oder als deren Hilfspersonen tätig sind
- klare Zuständigkeitsregelungen, bspw. durch eine Arbeitsanweisung
- Ausnahmen vom Vertraulichkeitsgebot sind möglich
- datenschutzkonformer Umgang der Meldestelle mit personenbezogenen Daten
Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht auch Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch vor. Falsche Beschuldigungen oder vorsätzlich falsche Informationen sind nicht durch den Schutz des Gesetzes abgedeckt. Dies soll sicherstellen, dass das Hinweisgeberschutzgesetz nicht als Instrument für Diffamierung oder böswillige Anschuldigungen missbraucht wird.
Welche Unternehmen sind vom Hinweisgeberschutzgetz betroffen?
Alle „Beschäftigungsgeber“, das heißt natürliche und juristische Personen mit mindestens einem Beschäftigten (Beschäftigungsgeber = jeweilige Gesellschaft) fallen unter das Hinweisgeberschutzgesetz. Interne Meldestellen sind erst ab einer Unternehmensgröße von mindestens 50 Beschäftigten einzurichten. Diese Zahl umfasst Arbeitnehmer:innen ebenso wie Auszubildende, arbeitnehmerähnliche Positionen und Leiharbeiter:innen.
Gesellschafter:innen, Geschäftsführer:innen sowie Selbständige, Lieferant:innen und Subunternehmer:innen sind darin nicht enthalten. Zusammengefasst wird die Einrichtung einer internen Meldestelle wie folgt gehandhabt: Für Unternehmen bis 249 Beschäftigte gilt eine Übergangsfrist bis zum 17.12.2023, um eine Meldestelle zu installieren.
Für Unternehmen, die in der Finanzbranche tätig sind (bspw. Wertpapierdienstleister, Börsen oder Kapitalverwalter), ist die Beschäftigtenzahl jedoch unerheblich: Diese Unternehmen sind bereits seit dem 2. Juli 2023 verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten.
Was Unternehmen und HR jetzt tun müssen
Aus den beschriebenen Aspekten des Hinweisgeberschutzgesetzes ergeben sich für Unternehmen und insbesondere für HR konkrete Handlungsschritte:
- Neueinrichtung Hinweisgeberschutzsystem bzw. Überprüfung vorhandener Systeme auf Konformität
- Betriebsrat frühzeitig informieren bzw. involvieren – ggf. Betriebsvereinbarung abschließen
- Positive Kommunikation gegenüber dem Betriebsrat und der Belegschaft – Ermutigung der Beschäftigten, bevorzugt die interne Meldestelle zu nutzen
- Klare & leicht zugängliche Informationen für die Beschäftigten bereitstellen
- Schulungen der verantwortlichen Mitarbeiter:innen (interne Beauftragte sollten entsprechend geschult werden (ist aber nicht gesetzlich vorgeschrieben) und sollten idealerweise ein Grundverständnis für einige rechtliche Normen (z.B. Arbeitsschutzgesetze etc.) haben)
- Lückenlose Dokumentation des Bearbeitungsprozesses – von der Meldung bis zur Löschung
- Einplanung ausreichender Ressourcen
- Regelung in einer Arbeitsanweisung oder Prozessbeschreibung, einschließlich Priorisierung (Triage) von eingehenden Meldungen
Fazit
Das Hinweisgeberschutzgesetz schafft einen rechtlichen Rahmen, der Informant:innen Vertrauen und Schutz bietet, während sie Verstöße melden. Durch die Schaffung von internen Meldekanälen und den Schutz der Identität wird die Offenlegung von Missständen gefördert und die Möglichkeit geschaffen, diese effektiv anzugehen. Das Hinweisgeberschutzgesetz ist ein wichtiger Beitrag zur Förderung von Integrität, Transparenz und Rechenschaftspflicht und ein bedeutender Schritt auf dem Weg zu einer korruptionsfreien und ethischen Unternehmenskultur.
Es ist jedoch auch wichtig zu betonen, dass das Hinweisgeberschutzgesetz allein nicht ausreicht, um Korruption und Missstände vollständig zu beseitigen. Es ist vielmehr ein Instrument, das in einem umfassenderen Rahmen zur Korruptionsbekämpfung eingebettet sein sollte. Dazu gehört eine klare Unternehmenskultur, die Integrität, Transparenz und ethisches Verhalten fördert. Unternehmen sollten Richtlinien für ihre Mitarbeiter:innen implementieren, um sie über ihre Rechte und Pflichten im Hinblick auf die Meldung von Verstößen zu informieren.
Darüber hinaus sollen Hinweisgeber:innen Unterstützung und Beratung erhalten, wenn sie etwa mit den emotionalen und psychischen Belastungen konfrontiert sind, die mit der Offenlegung von Missständen einhergehen können. Dies kann beispielsweise durch die Einrichtung von unabhängigen Beratungsstellen oder Helplines gewährleistet werden, die ihnen eine Anlaufstelle bieten, um ihre Anliegen zu besprechen und Unterstützung zu erhalten.