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Entgelttransparenzrichtlinie: Fakten und Aussichten

Entgelttransparenzrichtlinie

Am 6. Juni dieses Jahres ist die Entgelttransparenzrichtlinie der EU in Kraft getreten. Sie soll unter anderem geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung, oft auch als Gender Pay Gap bezeichnet, adressieren, die nach wie vor ein Problem in vielen Ländern ist.

Europaweit verdienen Frauen durchschnittlich 14,1 Prozent weniger pro Stunde als Männer. In Deutschland ist die Lohnlücke laut Statistischem Bundesamt mit 18 Prozent sogar höher als der EU-Durchschnitt. Viele EU-Länder bemühen sich bereits um verschiedene Maßnahmen zur Verringerung der Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt. In der Praxis mangelt es jedoch oft an Lohntransparenz oder der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen bei Lohndiskriminierung.

Auch in Deutschland ist es trotz des Entgelttransparenzgesetzes für Arbeitnehmer:innen immer noch schwierig, ihre Ansprüche geltend zu machen – obwohl das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich das Recht der Frauen auf gleiche Bezahlung gestärkt hat (siehe BAG, Urteil vom 16. Februar 2023, Az. 8 AZR 450/21).

Mehr Lohngerechtigkeit in ganz Europa

Um die Lohngerechtigkeit voranzubringen, hat die Europäische Kommission am 4. März 2021 mit der Entgelttransparenzrichtlinie einen Entwurf zur Förderung von Gehaltstransparenz vorgestellt. Im Dezember 2022 haben sich das Europäische Parlament und der Rat bereits politisch auf die neuen Vorschriften zur Lohntransparenz geeinigt. Schließlich hat das EU-Parlament am 30. März 2023 den Entwurf genehmigt. Die Richtlinie trat am 6. Juni 2023 in Kraft.

Sie enthält verschiedene Maßnahmen zur Förderung von Lohntransparenz, wie beispielsweise Berichtspflichten für Unternehmen, Auskunftsrechte oder verpflichtende Angaben zum Entgelt für Arbeitssuchende. Opfer von Lohndiskriminierung sollen leichteren Zugang zur Justiz erhalten.

Maßnahmen der Entgelttransparenzrichtlinie

Die konkreten Maßnahmen gestalten sich wie folgt:

1. Lohntransparenz für Arbeitssuchende:

Arbeitgebende müssen in Stellenausschreibungen oder vor Vorstellungsgesprächen Informationen über das Einstiegsgehalt oder dessen Spanne bereitstellen. Sie dürfen Bewerber:innen nicht nach ihrem vorherigen Gehalt fragen.

2. Auskunftsrecht für Arbeitnehmer:innen:

Arbeitnehmende haben das Recht, von ihrem Arbeitgeber Informationen über ihr individuelles Einkommen und die durchschnittlichen Einkommen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Mitarbeitenden-Gruppen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit leisten, zu verlangen.

3. Berichterstattung über das geschlechtsspezifische Lohngefälle:

Arbeitgeber mit mindestens 100 Beschäftigten müssen Informationen über das Lohngefälle zwischen weiblichen und männlichen Arbeitnehmer:innen veröffentlichen. In einer ersten Phase müssen Arbeitgeber mit mindestens 250 Beschäftigten jährlich und Arbeitgebende mit 150 bis 249 Beschäftigten alle drei Jahre Bericht erstatten. Ab fünf Jahren nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie müssen auch Firmen mit 100 bis 149 Beschäftigten alle drei Jahre Bericht erstatten.

4. Gemeinsame Entgeltbewertung:

Wenn die Entgeltberichterstattung ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle von mindestens fünf Prozent aufweist und der Arbeitgeber das Gefälle nicht durch objektive geschlechtsneutrale Faktoren rechtfertigen kann, müssen Arbeitgeber in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertreter:innen eine Entgeltbewertung vornehmen.

Besserer Zugang zur Justiz für Opfer von Lohndiskriminierung

Darüber hinaus sieht die Entgelttransparenzrichtlinie konkrete rechtliche Maßnahmen vor, welche die Rechte von Opfern von Lohndiskriminierung stärken und deren Durchsetzbarkeit verbessern sollen:

1. Entschädigung für Arbeitnehmer:innen:

Arbeitnehmende, die geschlechtsspezifischer Lohndiskriminierung ausgesetzt sind, haben Anspruch auf Entschädigung einschließlich der vollständigen Nachzahlung des Entgelts und der damit verbundenen Boni oder Sachleistungen.

2. Beweislast des Arbeitgebers:

In der Regel obliegt es dem Arbeitgeber und nicht den Arbeitnehmer:innen, nachzuweisen, dass keine Diskriminierung in Bezug auf das Entgelt stattgefunden hat.

3. Sanktionen einschließlich Geldstrafen:

Die Mitgliedstaaten sollten spezifische Sanktionen für Verstöße gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts festlegen, einschließlich Mindestgeldstrafen.

4. Sammelklagen:

Die Richtlinie sieht auch vor, dass Gleichbehandlungsstellen und Arbeitnehmervertreter:innen im Namen von Arbeitnehmer:innen in Gerichts- oder Verwaltungsverfahren tätig werden und bei Sammelklagen für gleiche Bezahlung eine federführende Rolle spielen können.

Umfangreichere Maßnahmen als zuvor

Die Maßnahmen gehen teilweise über die derzeitigen Regelungen zur Entgelttransparenz in Deutschland hinaus. Der Grundsatz der Entgeltgleichheit verpflichtet Arbeitgeber in Deutschland und der gesamten EU bereits dazu, Frauen und Männern für gleiche oder gleichwertige Arbeit das gleiche Entgelt zu zahlen.

Mit der EU-Richtlinie soll dieser Grundsatz durch verbindliche Maßnahmen besser durchgesetzt werden. Arbeitgebende sollen verpflichtet werden, ihre Entgeltpolitik transparenter zu gestalten. Zudem sollen Arbeitnehmer und Arbeitssuchende mehr Möglichkeiten und Rechte erhalten, gleiches Entgelt zu fordern und durchzusetzen. Die Mitgliedstaaten haben nach Inkrafttreten der Richtlinie bis zu drei Jahre Zeit, die Vorschriften in nationales Recht umzusetzen.

HR muss sich auf Entgelttransparenzrichtlinie vorbereiten

Für Unternehmen und HR-Abteilungen bedeutet dies konkret, dass mit einer Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie in Deutschland bis spätestens Sommer 2026 gerechnet werden kann. Einige Unternehmen haben bereits begonnen, sich darauf vorzubereiten und weisen beispielsweise die Spanne des Einstiegsgehalts bereits in Stellenanzeigen aus.

Auch wenn die Entgelttransparenzrichtlinie noch nicht in deutsches Recht überführt wurde, ist es sinnvoll, bereits jetzt die Umsetzung der darin vorgesehenen Maßnahmen zu planen. Denn inhaltlich wird sich nichts ändern. Zudem hat die Vergangenheit gezeigt, dass der Gesetzgeber EU-Richtlinien häufig erst zum Ende der Dreijahresfrist umsetzt, was dazu führt, dass entsprechende Gesetze mit kurzer Vorbereitungszeit in Kraft treten können.

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