Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Dauerthema in den Diskussionen um Care-Arbeit und familienfreundliche Arbeitsmodelle. Viel zu oft bleibt beim Versuch, Arbeit, Familie und Freizeit zu verbinden, etwas auf der Strecke. Einer repräsentativen Umfrage des Online-Lernspezialisten scoyo zufolge, plagt 56% der befragten Eltern das schlechte Gewissen, dass etwas oder jemand zu kurz kommt.
Systemrelevant, aber ungleich verteilt
Gleichzeitig betonte die ehemalige Familienministerin Franziska Giffey noch im Jahr 2020, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei „systemrelevant und essenziell für eine funktionierende Wirtschaft.“ Dies habe insbesondere die Coronapandemie gezeigt. Die Bedeutung des Themas scheint also auch auf politischer Ebene angekommen zu sein.
Doch was die Pandemie auch gezeigt hat, ist eine Verschärfung der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern bei der Sorgearbeit. So haben laut einer Erhebung der Hans Böckler Stiftung in Haushalten mit mindestens einem Kind 27% der Frauen, aber nur 16% der Männer ihre Arbeitszeit reduziert. Alleinerziehende trifft es noch härter.
Verantwortung liegt auch bei Unternehmen
Die Realität steht hier in starkem Kontrast zu den häufig ausgerufenen Zielen der Frauen- und Familienförderung. Wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht, ist aber nicht nur der Staat gefragt. Die Verantwortung liegt zu einem großen Teil auch bei den Arbeitgebern. Ihnen obliegt es, Strukturen zu schaffen, die es Mitarbeiter*innen ermöglichen, beides zu vereinen.
Zum Glück verabschieden sich immer mehr Unternehmen von der alten Maxime “Arbeit oder Familie.” Immer häufiger steht stattdessen der Grundsatz “Arbeit und Familie“ im Fokus. Als modernes Unternehmen ist uns dieser Aspekt sehr wichtig. Wir sind eine frauengeführte Agentur, die Firmen beim Aufbau, der Neuausrichtung und Transformation ihrer gesamten HR-Organisation hilft.
Hierzu gehört selbstverständlich auch die Implementierung von Strategien zum flexiblen Arbeiten und zur bestmöglichen Unterstützung von Eltern. Dementsprechend wollen wir selbst mit gutem Beispiel vorangehen und von unseren Mitarbeiter*innen lernen.
Linda Merrett über ihre Elternzeit
Unsere Managing-Partnerin Linda ist seit Kurzem Mutter und gibt im Gespräch einen Einblick in ihren Alltag, ihre Bedürfnisse und welche Faktoren für sie besonders wichtig sind, um Familie und Beruf nachhaltig und ohne Abstriche zu vereinen.
Liebe Linda, was sind die Herausforderungen bei der Arbeit mit einem Neugeborenen?
Linda (L): Es ist schwer, Dinge im Voraus zu planen. Das Baby ist diejenige, die das Sagen hat, und ich muss meinen Zeitplan und meine Aufgaben an ihren Bedürfnissen ausrichten.
Welche Art von Flexibilität und Unterstützung brauchst du von deinem Arbeitgeber, um Beruf und Familie zu vereinen?
L.: Vor allem Verständnis und Flexibilität. Es kann sein, dass ich etwa einen Anruf beim Spazieren im Park entgegennehmen oder kurzfristig absagen muss. Da mein Laptop gerade repariert wird, ist mir auch klar geworden, wie wichtig eine gut funktionierende Ausrüstung ist. Ein schneller Laptop, gute Kopfhörer, damit man beide Hände frei hat, um das Baby zu unterhalten oder zu trösten, während man ein Gespräch führt. Mit begrenzter Zeit hat man keine Zeit, IT-Probleme zu lösen oder sich mit unzuverlässiger Technik auseinanderzusetzen.
Wie strukturierst du deinen Tag?
L.: Ich versuche, die wichtigsten Dinge morgens zu erledigen. Dann sind in der Regel alle noch einigermaßen ausgeruht und glücklich. Darüber hinaus entwickelt man eine eigene Flexibilität. Ich passe mich dem Rhythmus meiner Tochter an und nutze ihre Ruhephasen. Diese verändern sich natürlich, daher halte ich nicht an einer festen Struktur fest.
Wie können wir sicherstellen, dass du alles hast, was du benötigst?
L.: Mit Verständnis und Nachfragen kommt man sehr weit! Das Team erkundigt sich fortlaufend, ob alles in Ordnung ist, und ich weiß, dass ich meine Verpflichtungen schnell reduzieren kann, wenn ich überlastet oder unruhig bin. Unsere Kund*innen sind dabei auch eine große Unterstützung. Sie sind flexibel, ermöglichen mir es, Anrufe zu den Zeiten zu planen, in denen meine Tochter am ehesten glücklich und zufrieden ist.
Wie hat die Arbeit von zu Hause aus deine Einstellung und Motivation verändert?
L.: Nachdem ich gesehen habe, dass es tatsächlich gut funktioniert, Familie und Arbeit zu vereinbaren, bin ich zuversichtlicher, dass es nicht entweder oder sein muss. Ich kann eine großartige und präsente Mutter sein und gleichzeitig mein Team auf eine (hoffentlich) wertvolle Weise unterstützen.
Was sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen in Bezug auf Mutterschaft bedenken?
L.: Sie sollten im Voraus besprechen, wie bzw. ob sie in Kontakt bleiben wollen und wie eine mögliche Einbindung in den Arbeitsalltag aussehen könnte. Im Zweifelsfall neigen Arbeitgeber (zu Recht) dazu, zu denken, dass sie nicht stören wollen. Aber im modernen Arbeitsleben gibt es viele Mitarbeiter*innen, die nicht ein Jahr in Elternzeit gehen wollen. Diesbezüglich sollte besprochen werden, wie dies berücksichtigt werden kann. Ob innerhalb regelmäßiger Telefonate, gelegentlicher Mittagessen oder eines regulären Teilzeitmodells – die Möglichkeiten sind vielfältig.
Wichtig ist es daher, den Mitarbeiter*innen die freie Wahl zu lassen und dabei keinerlei Druck auszuüben. Wer die volle Elternzeit in Anspruch nehmen möchte, sollte darin unterstütz und bestärkt werden. Wer sich bewusst dafür entscheidet, weiterzuarbeiten, sollte ebenso Unterstützung erhalten. Es muss auf jeden Fall klar sein, dass keine der Optionen vonseiten des Unternehmens bevorzugt wird. Die Entscheidung ist eine rein individuelle und sollte immer unterstützt werden, ohne eine vorherige Erwartungshaltung zu kommunizieren.